Morbus Salieri

Nachdem die Pocken, Ebola und die Rote-Armee-Fraktion besiegt zu sein scheinen steht die Wissenschaft erneut vor einer schier unlösbaren Aufgabe.
Wie kann es sein, dass die angeblich sperrigste, kräftigste, unbestechlichste und schlagfertigste Population des Planeten, nämlich die der Kabarettisten so todgeweiht, wie von der Mafia entsorgt, in allen medialen Kanälen rumliegt.
Komatös.
Erstarrt.
Ist es die Mafia?
Der BND?
Der Sparkassen und Giro Verband?
Nein.
Die Population ist befallen und fast ausgelöscht von einer schweren
Virusinfektion.
Morbus Salieri.
Die Seuche der Mittelmäßigkeit.

Im Gegensatz zu den grippalen Virenstämmen, deren Heimat etwas diffus dem sogenannten südostasiatischen Raum zugeordnet wird, ist die Herkunft des Morbus Salieri klar erforscht.
Es ist ein kleiner, unscheinbarer, mickriger, quotenschielender Virus, der in den neuen Keimzeller des Banalen, den sogenannten Unterhaltungsredaktionen nistet und auf seine Opfer lauert.
In diesen herrschen für den Keim ideale Voraussetzungen.
Konsenssucht und Denkfäule.
Der Virus ernährt sich von Milchkaffee, Absenz und satirischer Fremdintelligenz, die er unersättlich aufsaugt und als Comedy ausscheidet.
Der sogenannte Quotenkot ist geruchslos, jedoch schwer infektiös.
Die Erreger selbst sind eher von primitiver Bauart und versuchen durch Befall von hilfloser Begabung ein stabiles Mittelmaß zu erreichen und in der Virenhierarchie aufzusteigen.
Der Wissenschaft gelang es sogar neben RTL und Studio Franken ein weiteres Epizentrum in bisher nie dagewesener Exaktheit zu lokalisieren.
München, Unterföhring, Rivastraße 1.
Unterhaltungsredaktion BR.

Morbus Salieri.
Zunächst wird das kreative Immunsystem der hilflos Begabten angegriffen.
Dies geschieht durch Einladungen, Versprechungen, ergebnislosen aber höchst unterhaltsamen Dates mit ehemaligen Sekretärinnen, die, durch eine wissenschaftlich ebenfalls noch nicht dechiffrierte Mutation, den Sprung zu
Redakteurinnen geschafft haben.
Namhafte Experten sprechen von einem medialen Eisprung oder der Inkompetenzinkontinenz.
Die hilflos Begabten werden also zunächst durch vollmundige Versprechungen in eine Art Rauschzustand versetzt.
Das heimtückische an dieser Krankheit ist daher, dass sie mit einem erhöhten isolationsüberwindenden Wohlgefühl beginnt.
Bei einigen sind es fast euphorische, manische Zustände.
Viele berichten davon, plötzlich das Gefühl gehabt zu haben, im Mittelpunkt zu stehen, begehrt zu sein.

Die Schwächungsphase, auch Jedenkennteventphase ist gekennzeichnet durch ein langsames Ausdörren und Ermüden des Befallenen durch sinnlose, aber stetige Beschäftigung.
Dies führt zur regressiven Artdosis.
Dies ist ein unaufhaltsamer Abbau der Kunstverstand Anteile und führt im letzten Stadium zu einer schmerzhaften Starre und irreparablen Grins Schäden.
Sie lässt die Befallenen, gegenseitig halt- und schutzsuchend, auf ausgedünnten Cocktail Beinen herumstehen und ebenfalls wieder infektiöse Belanglosigkeiten versprühen.

In der Phase der Skepsissepsis wird das kreative Immunsystem endgültig zerstört.
Es entsteht eine absolute Lähmung der Kreativzentren und eine unentwegte Reizung des Wiederkäuerreflexes.
Der Befallene irrt orientierungslos herum, hat Namensfindungsstörungen und ist unentwegt auf der Suche nach dem Virus, ohne dessen Infektionsauffrischungen er immer hilfloser und unmündiger wird.
Der Virus selbst ist aber unauffindbar.
Er ist entweder zu Tisch, oder im Urlaub oder krank, dann wieder zu Tisch, in einer Besprechung, dann wieder krank und angehend folgerichtig im Urlaub.
Bei den Befallenen zeigen sich in der Folge vermehrt Symptome wie Schwerhörigkeit, Sehschwäche, auch blasser Star genannt, Kurzatmigkeit in der Denkphase, Langatmigkeit in der Umsetzung, Existenzängste.

Kurz vor dem kreativen Exitus wird dem geschwächten Geist die Lösung angeboten.
Die Konsens Demenz.
Die freiwillige Beschränkung.
Das Dogma quotenreicher Unterhaltung.
Ein Typ, ein Spruch, ein Thema.
Sie ist gekennzeichnet durch eine völlige Abhängigkeit vom Virus und dem Absterben solidarischer Reflexe.
Die Folgen sind ebenso skurril wie erschütternd.
Einige Befallene wurden in überhitzten Studios mit Wollmützen gesichtet wie sie sich, obwohl körperlich intakt, in Lehnsessel setzten und Gutenachtgeschichten vorlasen.
Wieder andere hängen stundenlang mit einer konspirativen Kopfschiefhaltung, Flüsterstimme und einem medientauglich satirischen Tanzschritt (zwei vor, zwei zurück) am Mikrofon wie an einer Infusionsflasche.
Viele versuchen mit auffälligen Frisuren, Kapuzen oder bunten Hemden von ihrem Wortschatz abzulenken.
Andere behaupten Wesensverwandte von amerikanischen Filmkomikern zu sein und krächzen ihre betriebsfesttauglichen Pointen in die Welt.
Wieder andere erliegen nach einer grausamen Abfolge von Schüttelreimanfällen ihrem Leiden.
Es wurden Endstadien beobachtet, in denen sich die Befallenen als Feuerwehrmänner verkleiden und die Zähne schwarz einfärben.
Manche rotten sich in Schlachthöfen zusammen und fingieren mit mühsam vorbereiteten Sätze rege humorgetränkte Diskussionen.
Auch aus weiteren Studios des Epizentrums erreichen uns grauenhafte Bilder, zum Beispiel von sogenannten Moderatoren, die sich über ihre eigenen Witze zu Tode lachen.

Morbus Salieri.
Die Seuche der Mittelmäßigkeit.
Die Behandlungsmöglichkeiten und Therapien sind umstritten
Viele Wissenschaftler plädieren dafür den Virus zu isolieren und schlagen ein Mittelmaß Reservat in der Region um die fränkische Karnevalshochburg Veitshöchheim vor.
Sie gehen davon aus, dass man so dem Parasiten seine Nahrungsgrundlagen, nämlich die menschliche Intelligenz und Kreativität vollständig entzieht und ihn dadurch auslöscht.
Offensivere Virologen schlagen eine gut organisierte „me too“ – Kampagne gegen intellektuelle Übergriffe von Unterhaltungsredakteuren vor.
Auch Kompetenznachweise für Redakteure werden diskutiert.

Eine große Anzahl der Forscher raten zu einer eher konservativen Prävention.
Die befallenen Zonen meiden, tägliches Hirntraining sowie lange Wanderungen in dünn besiedelten Regionen.
Ein nicht zu unterschätzender Anteil an Experten rät allerdings grundsätzlich von übereiltem Aktionismus ab, da, ebenso wie bei der Henne und dem Ei, noch nicht geklärt sei, was eher existierte und welches Phänomen das andere bedingt.
Die Inkompetenz der Redakteure oder die Banalität der Konsumenten.
Das herauszufinden könne noch Jahrtausende dauern.